Am 23. Februar 2020 werden wir in Pforzheim – und mit uns Menschen in aller Welt – erneut an die Zerstörung unserer Stadt erinnern, die dann fünfundsiebzig Jahre zurückliegt.
Vor diesem Jahrestag halten wir inne und befragen unseren Umgang mit diesem Teil unserer Geschichte. Wir tun dies in der Gewissheit, dass unser Erinnern wertvolle Erfahrungen erschließt. Wir tun dies, um einem möglichen Missbrauch zu begegnen.
Der »Erinnern, Gedenken und Gestaltung« beinhaltet Grundsätze, an die wir uns gebunden fühlen, wenn wir an den 23. Februar 1945 erinnern.
Er soll den Willen der Mehrheit der Pforzheimerinnen und Pforzheimer zum Ausdruck bringen und Ausgangspunkt für eine möglichst breite Auseinandersetzung mit diesem Thema sein.
Woran wir erinnern
- Wir erinnern an die Zerstörung des Pforzheims am 23. Februar 1945 durch alliierte Luftangriffe, an den Tod mehrerer tausend Menschen und das Leid der Überlebenden.
- Wir erinnern an die Vorgeschichte dieser Ereignisse, insbesondere an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und das Verbrechen des von Deutschland ausgegangenen Krieges.
- Wir erinnern an den Anteil, den Menschen und Einrichtungen in Pforzheim an Kriegsführung, nationalsozialistischer Unterdrückung und deren Verbrechen – etwa an den jüdischen Bürgern der Stadt – hatten.
- Wir erinnern an den Umgang mit der Geschichte der Zerstörung Pforzheims, die für unterschiedliche politische Zwecke genutzt wurde.
- Wir erinnern an Zeichen und Schritte des Friedens und der Versöhnung in den letzten 75 Jahren.
- Wir zeigen Möglichkeiten des friedlichen Miteinanders in Pforzheim, in Deutschland, in Europa und in der Welt auf.
Warum wir erinnern
- Wir erinnern, weil die Betroffenen das Recht haben, ihrer Erinnerung und Trauer Raum zu geben.
- Wir erinnern, weil die Generationen der Zeitzeugen wertvolle Erfahrungen weitergeben können, so ihre Friedenssehnsucht, die Hoffnung und die Lebenskraft des Wiederaufbaus.
- Wir erinnern, weil wir aus dem historischen Geschehen die Verpflichtung zum Einsatz für Frieden, gegen Gewalt und Krieg ableiten.
- Wir erinnern, weil die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte in Nationalsozialismus und Krieg uns die eigene Verantwortung für die Gestaltung einer menschenwürdigen, demokratischen und friedlichen Gesellschaft zeigt.
Was wir ablehnen
- Wir wehren uns gegen den Missbrauch der Erinnerung zur Verharmlosung von Verbrechen der nationalsozialistischen deutschen Gesellschaft zwischen 1933 und 1945.
- Wir wehren uns gegen den Missbrauch der Opfer der Zerstörung Pforzheims zum Aufrechnen von Schuld.
- Wir wehren uns gegen jede Form von Werbung für demokratiefeindliche und menschenverachtende Ideologien, Haltungen und Aktionen, die sich der Erinnerung an die Zerstörung Pforzheims bedient.
- Wir wehren uns gegen Revanchismus, Völkerverhetzung und Gewaltpropaganda.
- Wir wehren uns gegen jede Verhöhnung der Opfer.
Was wir wollen
- Wir wollen, dass der 23. Februar Ausgangspunkt eines über den Tag hinausweisenden Lernens und Engagements für Frieden und Menschlichkeit wird.
- Wir wollen kritisch und selbstkritisch an die jahrzehntelange Erinnerungs- und Gedenktradition anknüpfen.
- Wir wollen die friedliche Gemeinschaft mit den Völkern der ehemaligen Kriegsgegner bewahren und weitere Annäherung fördern.
- Wir wollen uns bei aller inhaltlichen Vielfalt unseres Erinnerns an die oben genannten Grundsätze binden.
- Mit dem 75. Jahrestag wollen wir ein Zeichen aus Pforzheim für die Welt setzen, dass Friedensarbeit eine Verpflichtung für jeden Menschen sein muss. Aus diesem Grund soll erstmals 2020 der „Internationale Pforzheimer Friedenspreis“ verliehen werden. Mit diesem Preis werden Persönlichkeiten oder Organisation ausgezeichnet, die sich dafür eingesetzt haben, Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen oder nach gewalttätigen Auseinandersetzungen ein Beitrag zur Aussöhnung unter den beteiligten Parteien geleistet haben. Der Preis wird alle fünf Jahre vergeben. Der Preis ist mit 5.000,– € dotiert. Den Preis vergibt eine Jury, welche aus zehn Persönlichkeiten der Pforzheimer Bürgerschaft besteht, welche jeweils zwei Jahre (bei der ersten Vergabe 2020 im Dezember 2019) vor Vergabe des Preises erstmals zusammenkommen und ca. zwei Monate vor der Preisvergabe den/ die Preisträger veröffentlichen. Die Jury wird jeweils neu berufen; eine erneute Berufung ist möglich, jedoch müssen immer mindestens 50 % der Mitglieder der Jury neu berufen werden.
- Pforzheim setzt ab 2020 auch ein weiteres Zeichen auf der Grundlage des Dialogs der Religionen, wie dieser erstmals durch Johannes Reuchlin zwischen Christen und Juden auf den Weg gebracht wurde. Der Dialog soll in einer Form stattfinden, welche alle fünf Jahre, ab Herbst 2020, in Pforzheim veranstaltet wird. Neben Teilnehmer*innen aus den unterschiedlichen Glaubensrichtungen wird auch die Öffentlichkeit zu den Aktivitäten des Forums eingeladen. Das Forum trägt den Titel „Pforzheim Dialog der Religionen – Johannes Reuchlin“.
Wir laden alle ein, die sich ein weltoffenes Pforzheim wünschen, das sich seiner Verantwortung aus der Geschichte bewusst ist, in diesem »Rahmen für das Erinnern« aktiv zu werden!